Eines der Schwerpunktthemen des PERLE-Netzwerks in Walsrode beim Übergang von der Kita in die Grundschule ist die Sprachförderung aller Kinder. Dabei spielt das Lesen und Vorlesen in den Einrichtungen eine große Rolle. Die ehemalige Bildungskoordinatorin Alexandra von Plüskow-Kaminski hat sich mit den beiden Teilnehmerinnen des PERLE-Netzwerks Tanja Allermann und Mascha Buchholz über das Lesen und Vorlesen mit Kindern unterhalten.
Gerade mit Blick auf die Schulfähigkeit ist das Lesen und Vorlesen mit Kindern in aller Munde. Weshalb sollten das Lesen und das Vorlesen in der Kita einen hohen Stellenwert einnehmen?
Tanja Allermann: Zum einen macht das Vorlesen sehr viel Spaß - und zum anderen ist es ein gutes Medium, um die Sprachförderung, die Sprachbildung zu praktizieren. Ganz nebenbei werden so Wortschatz und Grammatik aufgebaut. Ich finde, Bücher sind gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung ein wichtiges Medium.
Mascha Buchholz: Lesen und Vorlesen haben auch noch weitere Wirkungen. Die gemütliche Atmosphäre ermutigt Kinder, zur Ruhe zu kommen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Für Vorschulkinder ist das besonders bedeutsam, denn das wirkt sich auch auf die Konzentration und Merkfähigkeit aus.
Alle Kinder erhalten hier den Zugang zur Wissenserweiterung wie etwa zu gendersensiblen oder kultursensiblen Themen oder auch zu konfliktträchtigen Themen wie Tod oder Trennung.
Wie kann ich mir das Vorlesen in der Kita vorstellen? Was machen Sie dort?
Mascha Buchholz: Oft lese ich in der Kleingruppe vor, aber auch in der gesamten Gruppe. In manchen Fällen entstehen auch 1:1-Situationen. Das mache ich beispielsweise, wenn ich einen Konflikt bei einem Kind wahrnehme. Zu dem Thema lese ich dann ein Buch mit ihm - öffne die Thematik aber nicht für die anderen Kinder. So kommen wir gut ins Gespräch. Besonders wichtig ist die Wohlfühlatmosphäre. In unserer Kita gibt es einen „Raum des Wortes.“ Hier finden die Kinder, aber auch die Erwachsenen Bücher und gemütliche Sitzgelegenheiten, um diese zu lesen.
Tanja Allermann: Bei uns ist das Lesen ist wirklich hoch im Kurs - egal, ob in der gesamten Gruppe, einer Kleingruppe oder auch 1:1. Dies kann zum Beispiel in einer Trostsituation sehr hilfreich sein. Toll sind auch die Bilderbuchkinos. Da werden die Bilder mit einem Beamer an die Wand projiziert und die Geschichte vorgelesen.
In unserer Kita haben wir eine eigene Kita-Bücherei. Hier können sich die Gruppen Bücher ausleihen, aber auch die Kinder und die Eltern. Während der Pandemie haben wir eine Aktion gestartet: „Bücherausleihe über den Gartenzaun.“ Da haben wir die Bücher zu den Kindern gebracht.
Das Medium Buch hat bei uns ganz große Präsenz.
Mascha Buchholz: Das ist bei uns auch so. Ich setze beim Vorlesen gern verschiedene Methoden ein. Das können auch Handpuppen sein, die vorlesen, oder Bilderbuchtheater, so genannte Kamishibais. Wichtig für mich ist der Dialog beim Vorlesen. Ich gehe mit den Kindern in den Dialog über Bilder und die Geschichte.
Bei uns kommt noch dazu, dass wir auch gern mehrsprachige Bilderbücher anbieten. Wir lesen das Buch erst einmal auf Deutsch, im Anschluss in einer anderen Sprache. Wir haben viele Kinder, die mehrsprachig aufwachsen in unserer Kita. Deshalb muss es sich beim Vorlesen nicht immer nur um deutschsprachige Bücher handeln. Auch daheim können mehrsprachige Bücher - auch in den Muttersprachen der Kinder - gelesen werden.
Was sollten Eltern beachten, wenn sie gemeinsam mit ihren Kindern lesen möchten?
Tanja Allermann: Mein Ratschlag ist: So früh wie möglich mit dem Vorlesen beginnen! Das Medium Buch ist ein ganz besonders wichtiges Medium. In der Familie ist das Vorlesen in gemütlicher Atmosphäre ein schönes Ritual. Häufig verbunden mit dem Zubettbringen am Abend.
Eltern sollten die Bücher dem Entwicklungsstand der Kinder entsprechend auswählen. Je jünger das Kind, desto weniger Text, aber dafür umso mehr Bilder. Dabei kann man durchaus auf die Interessen der Kinder blicken oder auf aktuelle Geschehen.
Mascha Buchholz: Neben allgemeinen Tipps wie in das Gespräch gehen über Bilder und Handlung, Blickkontakt zum Kind halten, Pausen machen und eine Wohlfühlatmosphäre beim Vorlesen schaffen ist mein Universaltipp: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Die Hauptsache ist das gemeinsame Lesen. Also, einfach machen!
Welchen Tipp haben Sie abschließend noch für Eltern und alle anderen, die mit Kindern gemeinsam lesen?
Mascha Buchholz: Mein ultimativer Tipp ist der Rollenwechsel. Wenn wir Bücher öfter gelesen haben, lasse ich mir diese von den Kindern erzählen. Dabei blättern diese die Bücher durch und erzählen mir, was passiert. Sie stellen mir Fragen, die ich dann beantworte.
Tanja Allermann: Ich tauche gern in die Rollen ein, wenn ich vorlese. Arbeite mit meiner Stimme, aber auch mit meiner Gestik und Mimik. Auch lasse ich den Kindern Raum beim Vorlesen und lasse sie selbst in den Büchern blättern. Wichtig für mich ist, dass beim Vorlesen im Kopf Bilder entstehen - also innere Bilder.
Buchtipps von Tanja Allermann:
- Britta Sabbag. Igor Lange. Der kleine Waschbär Waschmichnicht. arsEdition.
- Ingo Siegner. Der kleine Drache Kokosnuss kommt in die Schule (Die Abenteuer des kleinen Drachen Kokosnuss, Band 1). cbj.
- Ken Kimura. Yasunari Murukami. 999 Froschgeschwister ziehen um. NordSüd Verlag.
Tanja Allermann arbeitet seit 27 Jahren in der Kindertagesstätte Therese von Plato in Walsrode (Trägerschaft des Paritätischen Vereins Heidekreis e. V.). Sie ist als Erzieherin am Vormittag in einer Ganztagesgruppe tätig und seit 2013 ausgebildet als Fachkraft für Sprachkompetenzförderung und Sprachentwicklung.
Buchtipps von Mascha Buchholz:
- Scott Stuart. Mein Schatten ist pink! Coppenrath.
- Suzanne Lang. Jim ist mies drauf. Loewe Verlag.
- Tom Fletcher. Kleines Monster, komm da raus! cbj.
Mascha Buchholz arbeitet seit 2015 als Erzieherin. Derzeit ist sie in der Kita Vorbrück mit den Schwerpunkten alltagsintegrierte sprachliche Bildung und Sprachförderung und als Multiplikatorin im Rahmen des Bundesprogramms „Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ tätig.